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Mietrecht

Was ist die Indexmiete in der Schweiz?

Alles zur Indexmiete in der Schweiz: Funktionsweise, LIK, Berechnung, Vor- & Nachteile für Gewerbeimmobilien.

Verfasst von
Remo Stahl
Veröffentlicht am
28. April 2025

Bei der Festlegung des Mietzinses für Büro- und Gewerbeflächen in der Schweiz können die Parteien den Zins grundsätzlich frei vereinbaren, er unterliegt aber der gerichtlichen Überprüfung auf Missbrauch (Art. 269 OR). Neben den üblichen Anpassungen (relative Methode) gibt es spezielle Modelle wie die Indexmiete Schweiz (Art. 269b OR) und die Staffelmiete (Art. 269c OR), die von den ordentlichen Anpassungsgründen weitgehend unabhängig sind. Besonders bei langfristigen Gewerbemietverträgen mit Mieterinvestitionen ist die Indexmiete ein relevanter Mechanismus.

 

 

Was ist die Indexmiete?

Die Indexmiete, geregelt in Artikel 269b OR, koppelt den Mietzins an die Entwicklung des Landesindexes der Konsumentenpreise (LIK), der vom Bundesamt für Statistik (BFS) veröffentlicht wird.

Zwei zwingende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  1. Mindestvertragsdauer: Der Vertrag muss für mindestens fünf Jahre abgeschlossen sein (unkündbar für den Vermieter).

  2. Indexbasis: Als Index darf nur der LIK verwendet werden.

Dem Mieter kann vertraglich ein früheres Kündigungsrecht eingeräumt werden. Die fünfjährige Bindung des Vermieters ist die Gegenleistung dafür, dass er die Teuerung vollumfänglich (100%) über den LIK weitergeben darf, anders als bei der relativen Methode (max. 40%).

 

 

Indexierung Mietvertrag: Wie funktioniert die Anpassung?

Bei der Indexmiete wird der Nettomietzins zu 100% an die Veränderungen des LIK angepasst. Steigt der LIK um 2%, kann der Mietzins um 2% erhöht werden; sinkt er, muss der Zins entsprechend gesenkt werden (Art. 17 Abs. 2 VMWG). Dies unterscheidet sich von der relativen Methode (Art. 269a OR), bei der die Teuerung nur zu 40% anrechenbar ist und auch der Referenzzinssatz sowie Kostensteigerungen eine Rolle spielen. Bei der Indexmiete sind diese anderen Faktoren während der Indexierungsdauer irrelevant. Die Anpassung basiert auf der prozentualen Veränderung zwischen dem Basisindex (bei letzter Festsetzung) und dem aktuellen Indexstand.

 

 

Voraussetzungen für eine gültige Indexklausel

Für eine gültige Indexklausel müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Mindestvertragsdauer von 5 Jahren: Für den Vermieter unkündbar.

  2. Referenzindex LIK: Ausschliesslich der LIK des BFS.

  3. Schriftliche Vereinbarung: Die Klausel muss im Vertrag stehen und den Basisindex klar definieren.

  4. Keine Kombination mit Staffelmiete: Index- und Staffelmiete dürfen nicht kombiniert werden (BGE 124 III 57).

Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, ist die Klausel nichtig. Eine formell korrekt mitgeteilte (amtliches Formular, Begründung), aber auf nichtiger Klausel basierende Erhöhung muss dennoch fristgerecht angefochten werden, um nicht gültig zu werden.

 

 

Der Landesindex (LIK)

Der Landesindex der Konsumentenpreise (LIK) ist das offizielle Instrument der Schweiz zur Messung der Teuerung (Inflation). Er wird monatlich vom Bundesamt für Statistik (BFS) berechnet und publiziert. Der LIK basiert auf einem sogenannten Warenkorb, der eine repräsentative Auswahl von Waren und Dienstleistungen enthält, die von privaten Haushalten in der Schweiz konsumiert werden. Dazu gehören Ausgaben für Nahrungsmittel, Wohnen, Energie, Verkehr, Gesundheit, Freizeit und vieles mehr.

 

Die Entwicklung des LIK wird als Indexzahl ausgedrückt. Dabei wird ein bestimmter Zeitpunkt (Monat/Jahr) als Basisperiode festgelegt und dessen Indexstand auf 100 Punkte gesetzt. Steigt der Index beispielsweise auf 105 Punkte, bedeutet dies eine Teuerung von 5% gegenüber der Basisperiode. Das BFS publiziert den LIK auf verschiedenen Basen (z.B. Dezember 2020 = 100, Dezember 2015 = 100 etc.). Für die Berechnung von Mietzinsanpassungen ist es entscheidend, dass sowohl für den Basisindex (bei Vertragsabschluss oder letzter Anpassung) als auch für den neuen Indexwert dieselbe Indexbasis verwendet wird.

 

Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung des LIK auf der aktuellen Basis Dezember 2020 = 100 für die letzten Monate bis zum aktuellsten verfügbaren Stand (März 2025 und Basis Dezember 2020 = 100):

Monat/JahrLIK-Stand

Jan. 2024

106.4

Feb. 2024

107.1

März 2024

107.1

Apr. 2024

107.4

Mai 2024

107.7

Juni 2024

107.7

Juli 2024

107.5

Aug. 2024

107.5

Sept. 2024

107.2

Okt. 2024

107.1

Nov. 2024

106.9

Dez. 2024

106.9

Jan. 2025

106.8

Feb. 2025

107.4

März 2025

107.5

 

Die exakte Definition des Basisindex im Mietvertrag – also der spezifische LIK-Wert (z.B. 101.5 Punkte per Dezember 2021 auf Basis Dez 2020 = 100) und dessen Basisperiode (Dez 2020 = 100) – ist von entscheidender Bedeutung. Dieser im Vertrag festgelegte Wert dient als unveränderlicher Ausgangspunkt für alle zukünftigen Berechnungen der Mietzinsanpassung. Ungenauigkeiten bei dieser Festlegung können später zu Streitigkeiten führen, da die gesamte Entwicklung des Mietzinses davon abhängt.

 

 

Berechnung der Mietzinsanpassung: Praktisches Beispiel

Die Berechnung einer Mietzinsanpassung aufgrund einer Indexklausel folgt einer klaren Formel. Angenommen, ein Geschäftsmietvertrag wurde mit einem monatlichen Nettomietzins von CHF 5'000 abgeschlossen. Die Indexklausel bezieht sich auf den LIK mit der Basis Dezember 2020 = 100. Der massgebliche Indexstand bei der letzten Mietzinsfestsetzung (Basisindex) war der Stand von März 2024 mit 107.1 Punkten. Der Vermieter möchte nun den Mietzins auf Basis des Indexstandes von März 2025 (neuer Index) anpassen, der bei 107.5 Punkten liegt.

Die Berechnung erfolgt in zwei Schritten:

  1. Berechnung der prozentualen Indexveränderung:
    Die Formel lautet: ((Neuer Index−Basisindex) / Basisindex) ∗ 100.
    Einsetzen der Werte: ((107.5−107.1) / 107.1) ∗ 100 = (0.4/107.1) ∗ 100 = 0.3735%

     

  2. Berechnung des neuen Mietzinses:
    Die Formel lautet: Neuer Mietzins=Bisheriger Mietzins∗(Neuer Index/Basisindex).
    Einsetzen der Werte: Neuer Mietzins=CHF 5′000 ∗ (107.5/107.1) = CHF 5′018.67
     

Der neue monatliche Nettomietzins würde somit CHF 5'018.67 betragen. Die Erhöhung beträgt CHF 18.67 pro Monat.

 

Obwohl die Berechnung mathematisch einfach ist, liegt die Tücke oft im Detail. Es ist entscheidend, die korrekten Indexwerte (gleiche Basisperiode, richtiger Monat) zu verwenden und den im Vertrag oder bei der letzten Anpassung festgelegten Basisindex korrekt zu identifizieren. Fehler hierbei können die gesamte Anpassung ungültig machen. Wichtig ist auch der Zeitpunkt: Der Vermieter darf die Erhöhung erst ankündigen, nachdem der neue Indexstand vom BFS offiziell publiziert wurde. Eine rückwirkende Geltendmachung von verpassten Erhöhungen ist ausgeschlossen; die Anpassung wirkt immer nur für die Zukunft. Sorgfältige Dokumentation und Beachtung der BFS-Publikationstermine sind daher für Vermieter unerlässlich.

 

 

Formale Anforderungen: Vereinbarung und Mitteilung

Vereinbarung im Vertrag: Die Indexklausel muss schriftlich sein und den LIK sowie den genauen Basisindex (Wert, Stand, Basisperiode) nennen.

 

Mitteilung der Anpassung: Jede Anpassung muss mittels amtlich genehmigten Formulars erfolgen. Das Formular muss den alten und neuen Mietzins, den Zeitpunkt des Inkrafttretens, eine klare Begründung (Indexklausel, Basis- und neuer Index) und einen Hinweis auf Anfechtungsmöglichkeiten enthalten (Art. 19 Abs. 1 VMWG). Die Zustellung muss mindestens 30 Tage vor Inkrafttreten auf ein Monatsende erfolgen und darf erst nach Publikation des neuen LIK geschehen. Formfehler führen zur Nichtigkeit der Anpassung.

 

 

Vor- und Nachteile der Indexmiete für Gewerbeimmobilien

Vorteile Vermieter:

  • Inflationsschutz.

  • Objektive Anpassungsbasis (LIK).

  • Langfristige Bindung (5 Jahre).

 

Nachteile Vermieter:

  • Andere Kosten (Zinsen etc.) nicht separat überwälzbar.

  • Mindestbindung von 5 Jahren.

  • Keine Erhöhung bei LIK-Stagnation/Rückgang.

  • Keine rückwirkende Geltendmachung.

 

Vorteile Mieter:

  • Transparenz durch LIK.

  • Schutz vor anderen Erhöhungsgründen (Zinsen, Kosten).

  • Langfristige Standort-/Planungssicherheit (5 Jahre).

  • Anspruch auf Senkung bei LIK-Rückgang.

 

Nachteile Mieter:

  • Volles Inflationsrisiko (100% LIK).

  • Kein Profit von Zinssenkungen.

  • Eingeschränkte Anfechtung (nur Berechnung, Art. 270c OR).

  • Budgetunsicherheit bei volatiler Inflation.

 

 

Indexmiete im Vergleich: Abgrenzung zu Alternativen

  • Staffelmiete (Art. 269c OR): Mietzins erhöht sich um feste Beträge zu fixen Zeitpunkten. Mindestdauer 3 Jahre. Absolute Planbarkeit, losgelöst von LIK/Zinsen. Kombination mit Indexmiete unzulässig.

  • Relative Methode (Art. 269a OR): Anpassung bei Änderung von Referenzzins, Kosten; Teuerung (LIK) nur zu max. 40%. Gilt für unbefristete Verträge oder nach Ablauf fester Laufzeiten. Spiegelt Kosten wider, aber komplexer.

 

 

Anwendungsfälle bei Büro- und Gewerbeflächen

Die Indexmiete Schweiz ist bei Geschäftsräumen (Büro, Laden etc.) aus den folgenden Gründen verbreitet:

  • Übliche lange Vertragslaufzeiten (≥ 5 Jahre).

  • Hohe Mieterinvestitionen (Ausbau) erfordern Amortisationszeit und gesicherte Dauer.

  • Wahrgenommene Planbarkeit durch LIK-Kopplung.

  • Attraktiv für Investoren (Inflationsschutz).

Bei Wohnraum kommt die Indexmiete seltener zur Anwendung.

 

 

Aktuelle Rechtsprechung zur Indexmiete

Wichtige Punkte aus der Rechtsprechung:

  • Anfechtung während Laufzeit: Nur wegen falscher Berechnung möglich (Art. 270c OR).

  • Flexibilität für Mieter: Kündigungsrecht für Mieter vor 5 Jahren zulässig (BGE 112 II 69).

  • Kombinationsverbot: Index- und Staffelmiete nicht kombinierbar (BGE 124 III 57).

  • Nach Ablauf der Indexdauer: Übergang zur relativen Methode. Mieter kann dann nicht mehr die absolute Methode (Renditeprüfung) geltend machen (BGE 147 III 32). Anpassungsbegehren müssen rechtzeitig vor Ablauf der Indexdauer gestellt werden, um volle Zinsänderungen seit Beginn geltend zu machen (BGer 4A_252/2023).

 

 

Fazit

Die Indexmiete in der Schweiz (Art. 269b OR) ist ein wichtiges Instrument bei Gewerbemieten. Sie erfordert eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren (für Vermieter) und koppelt den Mietzins zu 100% an den LIK. Strenge Formvorschriften für Vereinbarung und Anpassung sind zu beachten. Sie bietet Planbarkeit und Inflationsschutz, birgt aber auch Risiken bei hoher Teuerung. Die Abgrenzung zu Staffel- und relativer Methode ist klar. Aufgrund der Langfristigkeit und finanziellen Tragweite ist Sorgfalt bei Vertragsgestaltung und Anpassung essenziell.